Noting in the Name of Truth?
Community Notes und der politische Streit um Fakten
Außerdem im Radar:
Rückblick auf drei Jahre MATR-Monitoring
Maschinen, Menschen, Missverstehen
Ein neues Kapitel beginnt. Mit dieser achten Ausgabe vollziehen wir den Relaunch von MATR. Er bringt ein paar Veränderungen mit sich, die für uns die logische Konsequenz aus unserer Arbeit sind. Von Beginn an war uns daran gelegen, digitalen Hass nicht getrennt von den Konflikten zu untersuchen, die ihn hervorbringen. Diese Einbettung war für uns stets in der Analyse mitzudenken – und mit digitalen Mitteln zu erforschen. Basierend auf Maschinendaten, sozialwissenschaftlich, kritisch. Mit der neuen Firmierung als Magazin für digitale Konfliktforschung tragen wir diesem Ansatz nun auch namentlich Rechnung.
Im Grunde bleibt unsere Arbeit, was sie stets war: eine Verbindung aus Datenwissenschaft, diskursiver Netzwerkanalyse und kritischer Sozialforschung. Aber wir erweitern den Schwerpunkt nun auch auf Phänomene der Des- und Misinformation. Und wir begreifen Hass und Desinformation nicht nur als Gegenstände der Analyse, sondern auch als umkämpfte Deutungsbegriffe: An ihrer Nutzung – oder genauer: im politischen Streit über diese – entzünden sich selbst Konflikte, die Dynamiken von Hass und Desinformation bedingen können. Menschen missverstehen sich gerade im Digitalen folgenreich.
Die Fokus-Analyse der aktuellen Ausgabe zeigt die Komplexität solcher Dynamiken anschaulich. In dieser groß angelegten Untersuchung zum Konzept der Community Notes fragen wir uns nicht nur, wie dieses System genau funktioniert, wer es nutzt, wen es trifft und ob das Versprechen kollektiver Inhaltsprüfung hält, was man uns verspricht. Sie zeigt auch, was dieses System über den politischen Streit über Fakten und Wahrheiten in einer digitalen Gesellschaft, aber auch über geopolitische Machtkämpfe in Zeiten der fortschreitenden digitalen Globalisierung verrät.
Im Radar wiederum blicken wir diesmal auf drei Jahre Telegram-Monitoring zurück, das knapp 1.800 öffentlich kommunizierende Kanälen im rechtsalternativen Telegram-Spektrum einschließt. Obwohl einige Akteure teilweise in den digitalen Mainstream zurückgekehrt sind, bleibt Telegram für sie nicht nur eine Backup-Option, sondern ist weiterhin wichtiger Anker ihrer Kommunikation. Die Analyse, die den Abschluss des ersten Radar-Zyklus bildet, zeigt die integrative Rolle von Alternativmedien nochmals deutlich, aber auch die langfristigen Thementrends und Nutzungsweisen in den untersuchten Netzwerken.
In einer Blitzlicht-Analyse wiederum widmen wir uns dem gescheiterten Compact-Verbot. Dem Zuschnitt dieser Rubrik entsprechend, interessieren wir uns hier besonders für Interaktionsdynamiken, die dem Umgang mit Hassakteuren entspringen. In diesem Falle zeigen sich Effekte der Solidarisierung mit dem rechtsextremen Magazin, aber auch Potentiale des Streits innerhalb der rechtsalternativen Szene. Der Beitrag ist die überarbeitete Version einer Analyse, die bereits auf unserem neuen Blog Engine Room veröffentlicht wurde – ein weiteres Feature von MATR 2.0.
Alle Forschungsergebnisse lassen wir stets wissenschaftlich begutachten. Diesmal dürfen wir uns bei Emese Domahidi, Annett Heft und Manès Weisskircher bedanken: den ReviewerInnen dieser Ausgabe. Sie sind alle Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats, der unsere Arbeit kritisch und treu begleitet. Dass MATR nun in eine neue Runde geht – nunmehr als halbjährlich erscheinendes Magazin –, ist auch sein Verdienst.
Viel Spaß beim Lesen und Studieren wünscht im Namen des MATR-Teams
Holger Marcks, wissenschaftlicher Redakteur von MATR
Holger Marcks ist Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt auf Radikalisierung und Polarisierung im digitalen Kontext. Er ist Mitgründer von MATR und wissenschaftlicher Redakteur des Magazins. Zuvor forschte er zu transnationalen Eskalationsdynamiken gewaltsamer Dissidenz an der Goethe-Universität Frankfurt und zu rechtsextremer und islamistischer Online-Propaganda am IFSH in Hamburg, mit dem er weiterhin als Non-Residential Research Fellow assoziiert ist.
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