Maßnahmen gegen Hass und Desinfo im Netz: Das Wichtigste aus dem Frühling/Sommer 2025
Aktuelle, kommentierte Ereignisse im Kampf gegen Hass und Desinformation im Netz sowie ausgewählte Publikationen zum Thema. Diesmal im Rückblick auf das letzte Halbjahr: Aktuelle, kommentierte Ereignisse im Kampf gegen digitalen Hass und Desinformation sowie ausgewählte Publikationen zum Thema. Diesmal im Rückblick auf das letzte halbe Jahr: Mit TikToks gegen Antisemitismus +++ Up to Date dank Desinformationsbriefing +++ Kampagne gegen bildbasierte Übergriffe +++ Umstrittene Kampagne gegen Hass im Netz +++ TikTok setzt auf KI-Moderation +++ Google schafft Fact-Checking ab +++ Rückkehr der Gebannten auf YouTube +++ EU schafft Wahlwerbung ab +++ US-Justizministerium unterstellt DSA Zensur +++ UK Online Safety Law +++ “Digitale Gewalt” und politisches Engagement +++ KI in politischen Kampagnen +++ KI-generierte Fehlinformationen auf X +++ DSA-Meldeverfahren selten genutzt.
Der Sommer 2025 war in digitalpolitischer Hinsicht geprägt von der Frage, wie sich soziale Medien auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen auswirken und wie hier regulierend eingegriffen werden kann oder muss. Digitale Räume seien nach wie vor ungeschützt mit Blick auf Cybermobbing, Antisemitismus, Desinformation, Frauenfeindlichkeit und Radikalisierung, stellte die Bundesbildungsministerin, Karin Prien, fest.1 Bereits im Koalitionsvertrag einigte man sich darauf, die Auswirkungen von Bildschirmzeit am Handy und Social-Media-Nutzung »schnellstmöglich wissenschaftlich« zu bewerten und auf dieser Grundlage ein Maßnahmenpaket zu erarbeiten.2 Im Juni 2025 stieß Prien mit der Initiative voran, eine gesetzliche Altersbegrenzung bei der Nutzung von Social Media umzusetzen,3 und berief eine Fachkommission »Jugendschutz in der digitalen Welt« ins Leben, die im September ihre Arbeit aufnahm.
Ziel der Fachkommission ist die Formulierung von Handlungsempfehlungen, wie der Zugang für Jugendliche zu digitalen Plattformen organisiert werden soll, inwiefern die Nutzung von Mobiltelefonen geregelt und wie Medienbildung nachhaltig gestaltet werden kann. Noch vor der offiziellen Aufnahme der Arbeit der Kommission hat die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina Vorschläge unterbreitet, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den digitalen Technologien und Plattformen aussehen kann. Neben einer altersgerechten algorithmischen Kuration, dem Vorbehalt gegen Monetarisierung und dem Untersagen von Push-Nachrichten, Autoplay und endlosem Scrollen4 legte sich die Akademie auf altersbedingte Zugangsbeschränkungen fest: Sie empfahl, die Nutzung von sozialen Medien für Jugendliche unter 13 Jahren zu untersagen, im Falle von 13-15 Jährigen nur mit der Zustimmung der Eltern und für 15-17 Jährige nur unter altersgerechter Sortierung der Inhalte zu erlauben .
Die bundesdeutsche Debatte reiht sich in internationale kontrovers geführte Streitigkeiten über einen altersgerechten Umgang mit den (nicht mehr so) neuen Technologien ein: Seit Juli 2025 verlangt nun auch auch das Vereinigten Königreich strikte Altersverifikation, was Debatten über die Durchführbarkeit und Fragen des Datenschutzes auslöste. Der Umgang mit den Folgen von exzessivem Social Media Konsum wurde zum gesellschaftlichen Spaltpilz. Angeheizt wurde die Diskussion zudem durch die Netflix-Serie Adolescence und den Bestseller Anxious Generation von Jonathan Haidt. Haidt zeigte auf, dass der Aufstieg von psychischen Krankheiten direkt mit dem Durchbruch sozialer Medien zusammenhängt und fordert schnelles Handeln. In vielen politischen Kreisen stützte man sich auf die Erkenntnisse des Psychologen. Der Haken: Seine Studien haben systematisch Evidenz ausgeblendet, die nicht die These des negativen Zusammenhangs von sozialen Medien und mentaler Gesundheit stützen.5 Die Schuld für den Zustand der jungen Menschen allein in sozialen Medien zu suchen, würde davon ablenken, wirksam auf die tatsächlichen Ursachen der aktuellen psychischen Gesundheitskrise zu reagieren.
Ähnliche Debatten ließen sich auf die Themenfelder Hass und Desinformation übertragen. Denn sicherlich spricht einiges dafür, dass digitale Plattformen toxische Dynamiken fördern. Zugleich richten Zivilgesellschaft, Plattformen und Staat ihre Maßnahmen doch auch darauf aus, in den gegebenen Umständen gegen jene Probleme vorzugehen. Dass aber auch hier der Grat zwischen Intervention und Freiheit schmal ist, zeigen mehrere Maßnahmen in unserer Rundschau.
Zitationsvorschlag: Machine Against the Rage, »Maßnahmen gegen Hass und Desinfo im Netz: Das Wichtigste aus dem Frühling/Sommer 2024«, in: Machine Against the Rage, Nr. 8, Spätjahr 2025.
- Siehe Marlene Grunert, »Prien stellt Kommission zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor«, in: FAZ, 4. Sept. 2025, online hier.
- Siehe den Koalitionsvertrag online hier, S. 72f.
- Siehe Philipp May, »Bildungsministerin will Social Media erst für 16-Jährige«, auf: Deutschlandfunk, 18. Juni 2025, online hier.
- Siehe Julia Brailovskaia et al., Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, hgg. v. Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Juni 2025, online abrufbar hier, S. 40.
- Siehe Candice L. Odgers, »The Great Rewiring. Is Social media really behind an epidemic of teenage mental illness?«, auf: Nature, 29. Mär. 2024, online hier.
- Siehe das polisphere Desinformationsbriefing, online hier.
- Siehe das polisphere Desinfo-Dashboard, online hier.
- Siehe Kampagne gegen bildbasierte digitale Gewalt von HateAid, online hier.
- Siehe Petition »Schluss mit anonymem Internet-Hass!«, online hier.
- Siehe Simon Berlin & Martin Fehrensen, »Petition gegen Online-Hass: Wichtiges Anliegen, bedenkliche Forderung«, auf: Social Media Watch Blog, 25. Sep. 2025, online hier.
- Siehe Katja Rost, Lea Stahel & Bruno S. Frey, »Digital Social Norm Enforcement: Online Firestorms in Social Media«, in: PLoS ONE, Nr. 11, Jg. 6 (2016), e0155923.
- Markus Reuter, »Wir alle brauchen anonyme Orte im Netz«, auf: Netzpolitik, 19. Juni. 2025, online hier.
- Siehe Klaus Goldhammer, Mathias Birkel u.a, »KI und bildende Kunst. Studie zu Chancen und Risiken«, hgg. v. Stiftung Kunstfonds (Bonn: Juni 2024), online abrufbar hier.
- Siehe Rita Schuhmacher, »TikTok: Gemeinsam gegen Massenentlassungen«, auf: Verdi, 25. Sep. 2025, online hier.
- Siehe Martin Schwarzbeck, »Sie sind Vorkämpfer«, auf: Netzpolitik, 28. Jul. 2025, online hier.
- Siehe Astrid Zimmermann, »TikTok-Beschäftigte zeigen, wie man sich gegen einen Tech-Giganten behauptet«, auf: Jacobin, 29. Jul. 2025, online hier.
- Siehe Alix Faßmann, »Arbeitsgericht erlaubt Einigungsstelle: Weg frei für zügige Kündigungen bei TikTok in Berlin«, auf: Tagesspiegel, 25. Sep. 2025, online hier.
- Siehe Frank Schräer, »Google lässt wegen Covid-19 und US-Wahlen gesperrte Kanäle zurück zu YouTube «, auf: Heise, 25. Sep. 2025, online hier.
- Siehe EU-Verordnung 24/900 über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung, 13. Mär. 2024, online hier.
- Siehe Ingo Dachwitz, »Bald greifen die neuen EU-Regeln für politische Online-Werbung«, auf Netzpolitik, 31. Juli 2025, online hier.
- Siehe Svea Windwehr, »Wie das Löschen des Werbearchivs die demokratische Kontrolle untergräbt«, auf: Netzpolitik, 7. Okt. 2025, online hier.
- Siehe Humeyra Pamuk, »Exclusive: Rubio orders US diplomats to launch lobbying blitz against Europe’s tech law«, auf: Reuters, 7. Aug. 2025, online hier.
- Siehe Ohne Autor, »USA starten Lobby-Offensive gegen EU-Regulierung«, auf: Handelsblatt, 7. Aug. 2025, online hier.
- Siehe Online Safety Act 2023, 26. Okt. 2023, online hier.
- Siehe Guidance Online Safety Act: explainer, 24. Apr. 2025, online hier.
- Siehe HateAid, Luise Koch, Angelina Voggenreiter, »Angegriffen & alleingelassen. Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild«, hgg. v. HateAid (Berlin:2025), online abrufbar hier.
- Siehe Simon Kruschinski, Pablo Jost u.a, »Künstliche Intelligenz in politischen Kampagnen. Akzeptanz, Wahrnehmung und Wirkung«, hgg. v. Otto Brenner Stftung (Frankfurt am Main: 13. Jan. 2025), online abrufbar hier.
- Siehe Chiara Drolsbach, Nicolas Pröllochs, »Characterizing AI-Generated Misinformation on Social Media«, auf: arXiv, 15. Mai 2025, online hier.
- Siehe Lena-Maria Böswald, Corinna Dolezalek, Pablo Jost, Ursula Kristin Schmid, »Zwischen Klick und Konsequenz: Eine Evaluation der Meldeverfahren von Plattformen nach dem Digital Services Act«, hgg. v. Das NETTZ (Berlin: 2025), online abrufbar hier.