

Germania Dreamin‘
Die Sehnsucht deutscher Rechter nach der Querfront
Außerdem im Blitzlicht:
Die emotionale Debatte über Krieg und Frieden
Querfront im Anmarsch?
Es ist kein neuer Befund, dass das russische Regime vor allem rechte Akteure und deren Narrative unterstützt, um liberale Demokratien zu destabilisieren, mitunter aber auch anders gelagerte Proteste, zuweilen sogar antagonistische Diskurse digital verstärkt. Hauptsache, es werden schwelende Konflikte angeheizt.
Diese Strategie ist nicht neu, derzeit aber hochaktuell.
Erst kürzlich berichtete die Washington Post über vertrauliche russische Dokumente, denen zufolge der Kreml in Deutschland eine Anti-Kriegs-Allianz von Rechten und Linken zu fördern versucht. Mehrere Medien schrieben in diesem Zusammenhang von »Querfront«-Plänen. Damit gewinnt die Debatte um diesen in Deutschland historisch aufgeladenen Begriff eine neue Brisanz. Der Fokus des vorliegenden Trendreports schafft hier Orientierung für öffentliche und zivilgesellschaftliche Diskurse.
Im Unterschied zu autoritären Staaten kann sich die Zivilgesellschaft in liberalen Demokratien frei informieren und kritisch positionieren. Dies setzt transparente Informationen, unabhängige Medien, präzise Begriffe, fundierte Einordnungen und die Kompetenz voraus, Kritik von Hass und Propaganda unterscheiden zu können. In der viel beschworenen Zeitenwende und den multiplen Krisen zeigt sich, ob jene Demokratien diskurs-, integrations-, konflikt- und wehrfähig genug sind, um sich im Angesicht von digital verstärkter Polarisierung, Nationalismus und Krieg zu bewähren.
Die neue Trendreport zeigt anhand vieler Daten und Beispiele, wie politische Kontroversen von radikalisierten Akteuren zu potentiellen Bruchstellen im demokratischen Gefüge auszubauen versucht werden. Unter anderem am Beispiel der Empörung über den Moderator Louis Klamroth werden entsprechende crossmediale Interaktionsdynamiken detailliert analysiert (siehe Blitzlicht). Die Analyse trägt dazu bei, die Muster hinter den Empörungswellen aktueller politischer Diskurse zu verstehen und daraus Konsequenzen ziehen zu können.
In den Analysen wird deutlich: eine »Querfront«, die diesen Namen verdient, ist trotz partieller Gemeinsamkeiten rechter und linker Protestakteure nicht gegeben. Stattdessen berichtet die Forschungsstelle über »Mischszenen« und rät von einer Verwässerung des Querfront-Begriffs ab.
So oder so: Besonders erfolgreich sind die Mobilisierungen, die auch im Radar behandelt werden, nicht. Während vor 20 Jahren noch hunderttausende Menschen in Deutschland gegen den Irak-Krieg demonstrierten, folgten dem viel diskutierten Demoaufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer nicht mal 20.000 Menschen.
Entwarnung? Nein – die Straße ist nicht alles. In aktuellen Wahlprognosen profitiert die äußere Rechte deutlich von Krisenfolgen und Polarisierung. Doch kein Schatten ohne Licht: Wie kreativ digitale Angebote zur Stärkung demokratischer Kultur sein können, zeigt wieder mal die Rundschau zu den Maßnahmen gegen Hass im Netz.
Matthias Quent, Berater vom Dienst für diese Ausgabe

Dr. Matthias Quent ist Professor für Soziologie sowie Vorstandsvorsitzender des Instituts für demokratische Kultur an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Daneben fungiert er unter anderem als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der BAG. Er forscht derzeit unter anderem zu demokratischer Kultur im Metaverse sowie zu Rechtsextremismus im Kontext der ökologischen Transformation. (Bild: Sio Motion)